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Meinung: Marilyn Manson prahlte mit seiner Gewalt – und kam trotzdem davon

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Meinung: Marilyn Manson prahlte mit seiner Gewalt – und kam trotzdem davon

Zahlreiche Frauen werfen Marilyn Manson gewalttätiges, grausames Verhalten vor. Der Mythos um die Kunstfigur Manson schützte den Musiker – bis jetzt, schreibt unsere Redaktorin Vanja Kadic.

Die Anschuldigungen gegen Marilyn Manson sind schwer: Immer mehr Frauen, darunter Ex-Partnerinnen wie die Schauspielerin Evan Rachel Wood oder die ehemalige persönliche Assistentin des Musikers, werfen Manson schwere körperliche, psychische und sexuelle Misshandlung vor. Die Frauen berichten von Gehirnwäsche, Manipulation und grausamem, narzisstischem und rassistischem Verhalten.

Marilyn Manson, bürgerlich Brian Warner, hat die Vorwürfe inzwischen abgestritten. In einem Instagram-Post schreibt der Musiker: «Offensichtlich sind meine Kunst und mein Leben schon lang Magneten für Kontroversen, aber diese jüngsten Behauptungen über mich sind schreckliche Verzerrungen der Realität.» Manson weiter: «Meine intimen Beziehungen waren immer vollständig einvernehmlich mit gleichgesinnten Partnern. Unabhängig davon wie – und warum – andere sich nun dafür entscheiden, die Vergangenheit falsch darzustellen – das ist die Wahrheit.»

Ich finde den ersten Satz von Mansons Statement besonders interessant. Die Anschuldigungen gegen Marilyn Manson kursieren schon seit Monaten im Netz – dokumentiert etwa vom anonymen Instagram-Kanal «mansonisabusive» oder Youtuber Edwins Generation. «Offensichtlich sind meine Kunst und mein Leben schon lang Magneten für Kontroversen», schreibt der Musiker. Die Tatsache ist: Manson profitierte lang genau von diesen Kontroversen.

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«Die Tatsache ist: Manson profitierte lang genau von diesen Kontroversen.»

In den vergangenen Jahren äusserte sich Manson immer wieder frauenfeindlich. Er prahlte in einem Interview damit, wie er Evan Rachel Wood umbringen wollte. «Im Song ‹I Want to Kill You Like They Do in the Movies› geht es um meine Fantasien. Ich habe jeden Tag Fantasien, wie ich ihr mit einem Vorschlaghammer den Schädel einschlage», sagte Manson 2009 dem Musik-Magazin «Spin» über Wood.

Im gleichen Interview erzählte er von der kurzzeitigen Trennung von der Schauspielerin. Er schilderte, wie er sie an einem Tag 158 Mal anrief – und sich dabei bei jedem Mal mit einer Rasierklinge selbst schnitt. Dafür gab er ihr die Schuld: «Ich wollte ihr den Schmerz zeigen, den sie mir zugefügt hat. Ich wollte, dass sie sieht, was sie getan hat.» Wirklich ernstgenommen wurden seine Aussagen nicht.

Sein Team sah sich 2020 gezwungen, die Aussage zu den Mordfantasien zu kommentieren. Bei der Aussage zum Vorschlaghammer habe es sich «offensichtlich um ein theatralisches Rockstar-Interview» gehandelt, «um eine neue Platte zu promoten, und nicht um einen Tatsachenbericht», so der Sprecher. Mansons gewaltverherrlichende, absurde Aussagen? Beruhigt euch, alles nur Show, alles nur Fake, alles nur Teil des Images, das zu einem echten Rockstar gehört – genau diese Botschaft vertraten Manson und sein Team nach aussen. Und beeinflussten so die öffentliche Wahrnehmung. Ist er hochgradig gestört oder ist die groteske Figur des Schockrockers reine Inszenierung? Indem die Grenzen zur Kunstfigur verschwammen, schaffte es Manson, sich jahrelang hinter einer Maske zu verstecken.

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Der Mythos Manson gab ihm eine gewisse Narrenfreiheit

Mit seinen expliziten Bühnenshows, düsteren Kostümen und seiner aggressiven Musik erschuf Brian Warner den Mythos Manson, um den sich unzählige grausige Geschichten ranken. So soll er auf Friedhöfen gern Leichen ausgraben und deren Knochen rauchen. Oder es gibt Stories darüber, wie er mit seinen Bandkollegen angeblich auf ein gehörloses Groupie urinierte. Manson schaffte mit solchen – mitunter brutalen – Geschichten ein Narrativ, das ihm eine gewisse Narrenfreiheit verschaffte.

Seine eigenen Aussagen in Interviews stützen dieses Gerüst – und wurden, egal wie bizarr oder problematisch sie sind, einfach als solche akzeptiert. Er versteckte nichts, er prahlte damit. «Bei der Menge an Geschichten, die es über mich gibt, gibt es noch immer so viel Schlimmeres, was ich gemacht habe, von dem niemand weiss. Vor allem, weil vieles davon illegal ist», sagte er etwa 2015 zur Plattform «Beat». «Ich bin ein Magnet für kaputte Frauen, schlechte Menschen und verrückte Beziehungen. Manche Leute denken, es liegt an den Drogen. Manchmal ist das auch so.»

«Musikalisches Talent rechtfertigt kein gewalttätiges Verhalten»

Giftgas und das Gemälde eines Serienmörders

2015 lud er einen Journalisten von «Rolling Stone» zu sich nachhause nach Los Angeles ein. Dabei zeigte ihm Manson unter anderem seine Besitztümer – darunter einen Kanister des Giftgases Zyklon B, Waffen auf dem Couchtisch und das Gemälde eines Clowns, das Serienkiller John Wayne Gacy gemalt hatte. Im Artikel beschreibt der Journalist eine Szene zwischen Manson und seiner Freundin, der Fotografin Lindsay Usich. «Manson erlaubt nicht, dass sie heute Abend runterkommt. Vielleicht haben sie Beziehungsprobleme. Vielleicht versteht sie nicht, wenn er einen Song für sein neues Album schreibt wie ‹The Devil Beneath My Feet›, mit Lyrics wie ‹When I wake up, you best be gone or you better be dead›. Er meint nicht zwingend sie, obwohl (die Lyrics) von einer Nachricht stammen, die er ihr schickte.»

Manson schickte seiner Freundin also eine Nachricht, die lautete: «Wenn ich aufwache, bist du besser weg oder du bist besser tot.» Genau das ist mein Punkt: Über die Jahre etablierte und inszenierte sich Marilyn Manson selbst als groteske, aggressive Kunstfigur, der man solche Aussagen durchgehen lässt. Ist es gestört, dass er das Gemälde eines Serienmörders und Giftgas besitzt, das von den Nazis in den Gaskammern der Konzentrationslager verwendet wurde? Und dass er seiner Freundin, mittlerweile übrigens seine Ehefrau, Drohungen schickt? Ja. Schockt das jemanden? Nein.

Denn sein Verhalten wurde in den vergangenen Jahren normalisiert. Von aussen ist es fast unmöglich zu beurteilen, was real ist und was nicht. Und das wird dann gefährlich, wenn ihm Frauen wie Evan Rachel Wood Missbrauch vorwerfen – und ihnen nicht geglaubt wird.

Durch den Mut von Evan Rachel Wood und den zahlreichen weiteren Frauen, die Manson als ihren angeblichen Missbrauchstäter – für ihn gilt die Unschuldsvermutung – nannten, dürfte dieser Mythos nun hoffentlich in sich zusammenfallen. Denn musikalisches Talent rechtfertigt kein gewalttätiges, narzisstisches, rassistisches und misogynes Verhalten. Erste Konsequenzen gibt es für Manson bereits: Sein Plattenlabel Loma Vista Recordings verkündete, künftig auf eine Zusammenarbeit mit ihm zu verzichten und die Promotion seines aktuellen Albums zu stoppen. Die Verantwortlichen der TV-Serien «American Gods» und «Creepshow» gaben ebenfalls Mansons Rausschmiss bekannt.

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