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Zürich ist ready für Taylor Swift: Das steckt hinter dem Pop-Phänomen

Popkultur

Zürich ist ready für Taylor Swift: Das steckt hinter dem Pop-Phänomen

Taylor Swift kommt diese Woche für zwei Konzerte ihrer «Eras»-Tour nach Zürich. Der Pop-Star beeinflusst Teenager, die Wirtschaft und vielleicht auch die US-Wahlen – ihre grösste Gabe ist es, mit Musik ihre Realität zu erzählen. Autorin Taffy Brodesser-Akner versucht das Phänomen Swift zu entschlüsseln.

Der Sektor 301 im Levi’s Stadium schwebt 32 Meter über Santa Clara, Kalifornien. Er besteht aus 251 Plätzen – ein kleines Dorf im riesigen Reich der 64 000 Plätze des Stadions. Aber es ist unser Dorf, und am letzten Samstag im Juli 2023 setzen wir uns auf diese Plätze und sehen atemlos zu, wie Taylor Swift (34) aus wogenden pastellfarbenen Fallschirmen auftaucht und auf eine Plattform steigt, um die 47. Show ihrer aktuellen Eras-Tour zu performen.

Nach ein paar Liedern verkündet sie lachend, ihr Vater habe erzählt, Santa Clara hätte sie während ihres zweitägigen Aufenthalts zur Ehrenbürgermeisterin ernannt und die Stadt sei in Swiftie Clara umbenannt worden. Auf dem Weg ins Stadion haben wir beobachtet, wie Polizist:innen fröhlich Freundschaftsarmbänder mit Swifties austauschten.

Eine grosse Familie

Im Mikrokosmos von Sektor 301 herrscht das gleiche Gefühl – das einer grossen Familie. Was für eine schöne Nachbarschaft, in die wir gezogen sind, mein 15-jähriger Sohn Ezra und ich. Schon wenige Minuten, nachdem wir uns hingesetzt haben, sind wir Teil einer Kommune mit einer leidenschaftlichen gemeinsamen Überzeugung.

Die jungen Frauen zur Linken von Ezra tragen schwarze Kleider aus Swifts «Reputation»-Ära (das Cover, das 2016 erschien, war in Schwarz-Weiss gehalten) und können nicht älter als 16 sein. Aus Angst, etwas zu verpassen, setzen sie sich den ganzen Abend lang nicht ein einziges Mal hin. Drei Reihen weiter hinten sitzen Tweens in rosafarbenen Sommerkleidern, mit weissen Cowgirl-Hüten und glitzernden Cowgirl-Stiefeln – angelehnt an die von Taylor Swift selbstbetitelte Debut-Ära von 2006.

Über meiner rechten Schulter steht ein junger Mann mit einem Glitzerherz um sein Auge, wie Taylor auf dem pastellfarbenen Cover des «Lover»-Albums (2019), begleitet von einer jungen Frau in einem glitzernden lila Kleid, wie das von Taylor auf dem Cover von «Speak Now» (2010).

Auf der Bühne unten singt Taylor «Love Story», einen ihrer vielen frühen Songs, in dem ein Mädchen einen Jungen liebt, der sie aber nicht zurückliebt, oder er weiss nicht, dass er sie zurücklieben soll, weil ein anderes Mädchen seine Liebe zu Unrecht an sich gerissen hat. Oder, im Fall von «Love Story», ist sie Julia, und es gibt so viel Drama mit Romeos Familie, und wir alle wissen, was passieren wird, wenn sie nicht zusammen sein können.

Ein Heiratsantrag und Sektor 301 flippt aus

Aber dann kommen wir zur Bridge, und die Geschichte ändert sich. In «Love Story» fällt Romeo, gerade als Julia verzweifelt und hoffnungslos ist, auf die Knie und sagt ihr, dass er mit ihrem Vater gesprochen habe, und bittet sie, ihn zu heiraten. Und hier, in Sektor 301, auf unserem eigenen Balkon, passiert etwas Verrücktes. Der Glitzerherz-Mann bittet die lila Frau, ihn zu heiraten! Und die lila Frau sagt Ja!!! Sektor 301 ist ausser sich!

«Haben Sie das gesehen?», fragt mich ein Mann aus einer Gruppe Männern in T-Shirts mit der Aufschrift: «It’s me, hi. I’m the husband. It’s me». Ich bestätige. «Was notieren Sie da?», fragt er. Ich sage ihm, dass ich als Journalistin über Taylor Swift schreibe. «Huh», sagte er. «Werden Sie sie treffen?»

Zu beschäftigt für Interviews

Ich erzähle ihm, dass ich Interviewanfragen gestellt habe, die aber abgelehnt wurden. Mein Chef ebenfalls. Ihr Pressesprecher hat uns höflich mitgeteilt, dass sie zu beschäftigt sei, um ein Interview zu geben. Und das stimmt wahrscheinlich auch.

Oder – darüber habe ich in letzter Zeit viel nachgedacht – vielleicht befinden wir uns auch auf völlig neuem Terrain. Swift hat seit 2019 kein traditionelles Magazin-Feature mehr gemacht. Sie hat diese Tour in der TV-Show «Good Morning America» und ihren eigenen Social-Media-Accounts angekündigt. Sie veröffentlichte zwei Pandemie-Alben, «Folklore» (2020) und «Evermore» (ebenfalls 2020), die sie jeweils mit nur einem Tag Vorlauf in die Welt warf.

Für «Folklore» veröffentlichte sie einen abendfüllenden Film, in dem sie jeden Song erläutert. Taylor Alison Swift herself führte Regie und produzierte, sie braucht keine Vermittlung. Sie gehört zu dieser neuen Art von Promis, die neue Regeln für den Umgang mit den Medien und den Fans aufgestellt haben. Und vielleicht gibt es wirklich nichts, was wir, die Medien, ihr anbieten können, was ihr helfen würde, mehr Alben zu verkaufen oder bekannter, erfolgreicher oder beliebter zu werden, als sie es bereits ist.

Die Eras-Tour ist ein eigener Nachrichtenzyklus, ein eigenes Boulevardblatt, ein eigenes Tumblr, eine eigene Pressemitteilung und, wie wir in ein paar Wochen herausfinden würden, ein eigenes Filmset – der eineinhalbstündige Konzertfilm erschien letzten September.

Und wir in Sektor 301 sind in Swifts Bann, obwohl wir von hier aus nur eine winzige Gestalt in einem engelsgleichen Kleid sehen können, die unten über die Bühne läuft. Es macht nicht einmal etwas aus, dass wir sie nicht sehen können. Unsere Hingabe ist maximal, ihr Engagement ist total. Wir sind wie in Trance.

Ein liebevolles Erlebnis

Ezra und ich sind schon Stunden vor Beginn der Show im Stadion angekommen, das bereits fast vollständig gefüllt war. Da waren zwei Merch-Stände, die 70-Dollar-Kapuzenpullis und 35-Dollar-T-Shirts anpriesen. Ich hatte wilde Geschichten über Fans gelesen, die in der Warteschlange vor diesen Ständen in Ohnmacht fielen oder Erwachsenenwindeln trugen. Aber unsere Schlange war friedlich; was niemand auf den Social-Media-Posts erwähnte, war, wie liebevoll das Erlebnis ist.

Um uns herum gingen Fremde aufeinander zu, streckten sich ihre Handgelenke voller Perlenarmbänder hin, die die Namen verschiedener Taylor-Swift-Alben – oder eben: Ären – trugen; dann wurde jeweils eins getauscht, ein wortloses Ritual, das alle hier verstanden. Fremde waren nicht mehr Fremde, sondern Freund:innen.

Das Grundprinzip der Eras-Tour ist, dass sie Taylor Swifts eigene Epochen zelebriert – die vielen Identitätsphasen, die sie mit 34 Jahren auf ihrer öffentlichen Reise vom Mädchen zur Frau bereits durchlaufen hat.

Sie wuchs auf einer Weihnachtsbaumfarm auf

Ihre Lebensgeschichte ist eine, die man in unzähligen Artikeln nachlesen kann, eine, die selbst die am wenigsten Swift-affinen jungen Frauen aus mindestens zwei Generationen durch blosse Internetnutzung erfahren haben: Sie wuchs auf einer Weihnachtsbaumfarm in Wyomissing, Pennsylvania, auf, wo sie Shania Twain, Faith Hill und Le Ann Rimes hörte und Demobänder aufnahm, um sie nach Nashville, in die Musikhauptstadt der USA, zu schicken.

Mit zwölf Jahren sang sie die Nationalhymne bei einem Spiel des Basketballteams Philadelphia 76ers. Ein paar Tage später rief sie ihre Freundinnen an, um sie zu fragen, ob sie mit ihr einkaufen gehen wollten, aber sie sagten alle, sie seien beschäftigt. Also ging sie stattdessen mit ihrer Mutter in die Mall – wo ihre Freund:innen zusammen abhingen.

Sie verwandelt Schmerz in Poesie

Man kann sich vorstellen, dass Taylor Swift an diesem Tag ein bisschen gestorben ist, und dass sie als jemand wiedergeboren wurde, für den es auf der ganzen Welt nicht genug Liebe und Anerkennung gab. Sie schrieb einen Song über diese Erfahrung, und sie fühlte sich besser. Sie erkannte, dass diese neue Person, zu der sie geworden war, jemand war, deren beste Werke entstanden, wenn sie ihren Schmerz in Poesie verwandelt.

Die Swifts zogen nach Nashville, um Taylors Karriere zu unterstützen, und eines Abends, bei einer Talentshow im «Bluebird Cafe», wurde ein Universal-Manager namens Scott Borchetta auf sie aufmerksam. 2005 gründete Borchetta sein eigenes Label, Big Machine, und nahm sie sofort unter Vertrag. Schnell wurde klar, dass sie mit ihrer Musik ein Publikumssegment bedienen konnte, das die Country-Musik lange vernachlässigt hatte – Mädchen im Teenageralter.

«You Belong With Me» von Swifts zweitem Album gewann einen Video-Music-Award für das beste weibliche Video. Während ihrer Rede stürmte der US-amerikanische Rapper Kanye West die Bühne und verkündete, dass eigentlich Beyoncé das beste Video des Jahres gedreht hatte, woraufhin Taylor wie erstarrt, fassungslos und verwirrt dastand.

«Welche Ära bist du?»

In den darauffolgenden Jahren konnte man sehen, dass sie langsam begriff, was wirklich auf der Bühne passiert war – nämlich dass sie wieder einmal ermordet worden war, und zwar vor den Augen aller, die sie kannte und respektierte.

«Welche Ära bist du?», fragte eine der drei jungen Frauen hinter uns in der Schlange. Sie waren 18 oder 19 Jahre alt, und die, die mich fragte, trug ein goldenes Kleid mit Fransen, was auf die «Fearless»-Ära (2008) hindeutet. «Oh», sagte ich zu der jungen Frau, die die Frage gestellt hatte, und schaute an meinem Outfit herunter.

Ich trage ein graues Shirt mit einem Motiv von Taylors Gesicht mit einer Sonnenbrille. Auf der Sonnenbrille spiegeln sich die Zahlen 1989. «Ich schätze, ich bin ‹1989›? Das war das erste Album, das ich mochte, aber ‹Reputation› ist mein Lieblingsalbum.» Eine ihrer Freundinnen sagte: «Deine Ära ist nicht das Album, das du magst. Es geht darum, wo du heute stehst, weisst du?» Ich nickte. Das ergibt Sinn.

Eine Supergroup berühmter Freundinnen

Taylor veröffentlichte «Speak Now» 2010, ein Jahr nach dem Kanye-Vorfall. Zu diesem Zeitpunkt schien er ihr leid zu tun. Die Welt hatte ihn für sein Verhalten hart verurteilt. Der damalige Präsident, Barack Obama, hatte ihn einen Trottel genannt. Taylor schrieb einen Song, der mit ziemlicher Sicherheit von Kanye handelt und «Innocent» heisst.

«Wer du bist, ist nicht das, was du getan hast», heisst es darin. Als «Red» 2012 herauskam, war Taylor immer noch eine hart arbeitende, vom Songschreiben und den Fans besessene Country-Sängerin. Aber hier begannen die Dinge auszufransen. Die Leute warfen ihr vor, nicht authentisch zu sein und ihr Liebesleben auszuschlachten.

Sie hörte auf zu daten und formierte eine Supergroup berühmter Freundinnen um sich herum – von Schauspielerin Lena Dunham über Model Karlie Kloss und Sängerin Lorde bis hin zu Schauspielerin Selena Gomez; auf der Tournee für «1989» liess sie diese Freundinnen vor aller Augen auf die Bühne marschieren. Nehmt das, ihr Mall-Schlampen von Wyomissing!

Langsame Abkehr vom Country in reinen Pop

Swifts Musik hatte sich inzwischen verändert. Plötzlich verwandelte sich ihre langsame Abkehr vom Country in reinen Pop. Auch ihre Stimme hatte sich verändert. Der Jodelgesang des Country-Stars war verschwunden. Bis dahin hatten wir eine lange Parade weiblicher Sängerinnen ertragen, deren Stimmen für den Körper eines normalen Menschen überdimensioniert schienen: opernhaft oder dann so rau, als würde sich die Sängerin in einen Berg Kies eingraben.

Taylors Ansatz hingegen: Eine Stimme, so rein und schön, dass man sich fragt, warum so viele ihrer musikalischen Kolleginnen und Vorgängerinnen so hart arbeiten. Es ist keine himmlische Stimme, sondern eine spezifisch weltliche.

Als sie nach der «1989»-Tour nach New York gezogen war und ein neues Leben begonnen hatte, wurden die Dinge seltsam. 2016 tauchte Kanye West mit einer Zeile in einem neuen Song namens «Famous» auf, die so lautete: «Ich habe das Gefühl, dass ich und Taylor immer noch Sex haben könnten. Warum? Ich habe diese Schlampe berühmt gemacht.»

Die ganze Welt gegen Taylor Swift

Dazu drehte er ein Video, in dem ein Taylor-Swift-Lookalike nackt mit ihm im Bett zu sehen war (zusammen mit mehreren anderen nackten Prominenten). Taylor war entsetzt, aber Kanye sagte, er habe ihre Erlaubnis gehabt. Seine damalige Frau, Kim Kardashian, veröffentlichte einen bearbeiteten Videoclip, der Kanyes Behauptung zu bestätigen schien.

Jetzt herrschte Krieg. Kim Kardashian postete Schlangen-Emojis, und alle wussten, dass sie Du-weisst-schon-wen meinte. Dies geschah nach einem kleinen Twitter-Streit von Taylor mit Sängerin Nicki Minaj und inmitten eines Streits mit ihrem damaligen Freund, dem DJ und Musiker Calvin Harris.

Es schien, als hätte sich die ganze Welt gegen Taylor Swift gewandt. Jetzt, so hiess es, sei klar, dass sie schon immer eine Betrügerin gewesen sei. Jetzt sei klar, dass selbst ihr Feminismus nicht echt sei; er bestehe darin, ihre hübschen, meist weissen Freundinnen auf der Bühne aufzureihen, Fotos zu machen oder die gleichen Badeanzüge zu tragen.

Sie löschte ihre Sozialen Medien und verschwand

Und was für eine Art von Feminismus war das Video zu «Bad Blood», in dem eine Horde berühmter Frauen als Kampftruppe zu sehen ist, in einem Song über einen angeblichen Zwist von Swift mit der Sängerin Katy Perry?

Taylor ist ein digitaler Mensch. Sie wusste, dass sie gegen die Flutwelle, die auf sie zukam, nichts ausrichten konnte. Sie löschte ihre Sozialen Medien und verschwand. Auf taylorswift.com war nichts weiter als eine schwarze Seite zu sehen. Als sie in den Sozialen Medien wieder auftauchte, war es mit einem körnigen Video von – war das …? Es war eine Schlange.

«Reputation», das ein paar Monate später veröffentlicht wurde, ist ein Album voller echter oder gespielter Geständnisse – nicht Entschuldigungen. Es ist voller wilder Songs über Selbsthass, über zugegebene Manipulationen, über ein Selbstwertgefühl, so winzig, dass es unangenehm ist, es direkt zu betrachten.

In «This Is Why We Can’t Have Nice Things», einem weiteren Song, der angeblich von Kanye handelt, lacht sie so sehr, dass sie nicht mehr singen kann, als sie davon spricht, ihm zu verzeihen. Bei «End Game» singt sie: «Ooooh, I got some big enemies».

Das Taylor-Konzert als «Taufe»

Ezra kam von einem Ausflug zum Imbissstand mit ein paar Nachos zurück. Ich sah eine Frau, die in ein Laken gehüllt war, und fragte mich laut, ob sie vielleicht Angst hatte, dass die Vorgesetzten sehen könnten, wie sie für das Konzert die Arbeit schwänzt. Die junge Frau vor mir, die aus Sacramento kam und schon den zweiten Abend in Folge hier war, sagte: «Nein, sie spielt damit auf die Leute an, die Taylor Swift geghostet hat» – ein Hinweis auf «Anti-Hero», eine Single aus «Midnights» (2022).

Die Studentin erzählte mir, das Konzert am Vorabend sei wie eine Taufe gewesen. Sie ist jetzt in ihren Zwanzigern, aber sie hört Taylor Swift, seit sie ein Teenager war. Taylor Swift war ein Teil ihrer Kindheit, und sie ist nicht nur der Soundtrack der schönen Momente, sondern auch der von Phasen, für die man sich geniert.

«Man könnte sich so leicht dafür schämen, dass man in seinem Schlafzimmer Taylor Swift gesungen hat. Man könnte aufhören. Aber sie lässt dich nicht. Sie sagt: ‹Schau, ich werde auch älter.› Du wächst mit ihr. Was wäre, wenn wir uns nicht für unsere Äras schämen würden? Was wäre, wenn wir erkennen würden, dass sie immer bei uns sind und man sich nicht schämen muss dafür, wer man war und ist?» Sie fing an zu weinen; und Baby, ich auch.

«Mama», sagte Ezra mit leuchtenden Augen. «Schau!» Ich drehte mich um und sah, dass wir am Anfang der Schlange angekommen waren. Es war zehn Minuten vor Beginn der Vorstellung. Wir hatten zweieinhalb Stunden in der Schlange gestanden, aber irgendwie gab es immer noch Merch – ein Wunder! Ich kaufte Kapuzenpullis für uns beide.

Der Himmel in seiner «Lover»-Ära

Der Himmel färbt sich in verschmierte Einhorn-Pastellfarben; er ist jetzt in seiner «Lover»-Ära. Ein perfekter Mond hängt über dem Stadion. Unter uns, in einem lilafarbenen Kleid und mit einer blauen Gitarre in der Hand reckt Taylor die Faust in die Luft und singt: «Lang leben die Mauern, die wir durchbrochen haben. Wie die Lichter des Königreichs nur für mich und dich leuchteten.»

Ich denke darüber nach, was meine neue Freundin aus Sacramento mir in der endlosen Schlange vor dem Merch-Stand erzählt hat. Über die Idee, dass Taylor Swift Frauen die Freiheit gibt, ihre Mädchenzeit zu feiern, dass wir die früheren Versionen von uns selbst, unsere früheren Epochen, nicht verleugnen sollten.

«In dieser Show gibt es nicht viel Sex», sagt einer aus der Gruppe Ehemänner im Sektor 301. «Das liegt daran, dass sie nicht für dich ist», sage ich ihm, und ich merke, wie ich wütend werde. «Taylor Swift wurde nicht geschaffen, um dir zu gefallen, wie die anderen weiblichen Popstars. Sie ist dem System entkommen, in dem Frauen nur dann Popstars sein dürfen, wenn sie die Männer nicht verärgern oder bedrohen.»

Er kneift die Augen zusammen und nickt, als hätte er verstanden, aber das ist mir egal, und ich wende mich ab. Der Mann hat allerdings nicht ganz unrecht. Taylors Tanzbewegungen sind zwar verführerisch, aber sie macht dabei auch lustige Grimassen. Ihr Tanzstil ist eine Kombination aus komplizierter Choreografie und der Art von Tanz, bei der man den Daumen und den kleinen Finger an den Kopf hält, um einen Telefonanruf zu signalisieren.

So habe ich früher mit meinen Freundinnen getanzt, wenn keine Jungs in der Nähe waren, oder zumindest keine Jungs, die wir beeindrucken wollten. Daran erinnert mich dieses ganze Konzert – an die Zeit, die ich in meinem eigenen Jugendzimmer verbracht habe, um Lieder zu singen und zwischen sexy Stripperinnen-Moves und albernem Square Dance hin und her zu wechseln.

Das Anerkennen von Mädchen

Vielleicht ist es das, was «Eras» wirklich ausmacht: das Anerkennen von Mädchen als Menschen, denen man ein Denkmal setzen kann. Wir sind unsere nuttigste Version, unsere albernste Version, unsere gesündeste, unsere klügste, unsere dümmste, unsere traurigste, unsere glücklichste – alles auf einmal.

Ich schaue zum frisch verlobten Paar zurück. Er meinte es gut, der arme Kerl. Wahrscheinlich weiss er, wie sehr sie Taylor Swift liebt, und vor allem dieses Lied. Er wollte ihr geben, was sie sich wünschte. Wenn man Taylor Swift oft genug zuhört, könnte man tatsächlich meinen, dass es das ist, was wir uns wünschen.

Aber man sollte genauer hinhören. Die Codes entschlüsseln. In ihrem Songbook geht es wirklich nur minimal um romantische Liebe und den besten Teil der romantischen Liebe, nämlich den Moment der Offenbarung.

Es geht vor allem um die anderen Dinge, die einem Menschen im Leben passieren: um die manchmal fragwürdigen, manchmal grossartigen, manchmal tragischen Nachwirkungen dieser Offenbarung, aber auch um Verlust und Verrat, Freundschaft und Rache. Bestes Beispiel dafür ist «My Tears Ricochet» – ein Lied, das als Liebeslied daherkommt, aber in Wirklichkeit von einer anderen Art der Zerstörung handelt.

Im Jahr 2019 verkaufte Scott Borchetta sein Label Big Machine – und damit Swifts Masteraufnahmen – an den Talentmanager Scooter Braun. Laut einem Tumblr-Beitrag, den sie im Juni desselben Jahres schrieb, bot Borchettas Firma ihr zwar die Möglichkeit, die Originale zurückzubekommen, bestand aber auch darauf, dass sie im Gegenzug eine gewisse Anzahl neuer Alben machen müsse – eine Art von Leibeigenschaft.

64’000 Menschen schreien vor Empörung

Sie weigerte sich und kündigte später an, dass sie ihre Alben neu aufnehmen würde. Die Originale sind weiterhin erhältlich, aber die neuen sind als «Taylor’s Version» gekennzeichnet. «My Tears Ricochet» ist ein Herzensbrecher. Ich kenne keinen anderen Song über geschäftliche Missstände, der so ergreifend ist, dass 64’000 Menschen vor Empörung schreien.

Es ist einer der schärfsten und perfektesten Songs, die ich je gehört habe. Stellen Sie sich vor, ein ganzes Fussballstadion singt darüber, was für ein Idiot Sie sind. Stellen Sie sich Dutzende von völlig ausverkauften Fussballstadien vor, die darüber singen, was für ein Idiot Sie sind.

Man kann Swiftiedom – also das Fantum um Taylor Swift – auf jeder Ebene betreten: Nebenberuf oder Berufung, Hintergrundmusik oder Vollzeitjob. Ein Swiftie auf der höchsten Ebene zu sein, bedeutet Zugang zu einem alles verzehrenden, alles absorbierenden Imperium von Hinweisen, Codes und Beweisen zu haben, in dem man sich aufgekratzt und klug fühlt und in etwas involviert ist, das grösser ist als man selbst – und das alles, ohne jemals von seinem Smartphone aufzuschauen.

Lassen Sie uns direkt zu dieser Ebene gehen. Die Ebene, auf der, während ich dies zu schreiben begann, Legionen von Fans Daten sammelten, berechneten und tabellierten, um herauszufinden, ob und warum und wie die Zahl 112 signifikant ist, wenn es um die Vorhersage der Veröffentlichungen von Taylor Swifts Neuaufnahmen geht. Oder, um es noch besser zu erklären, nehmen wir die Single «Karma» aus «Midnights».

Darin singt sie: «Karma is my boyfriend, Karma is a god, Karma is the breeze in my hair on the weekend…. Spider Boy, king of thieves, weave your little webs of opacity.» («Karma ist mein Freund, Karma ist ein Gott, Karma ist der Lufthauch in meinem Haar am Wochenende…. Spider Boy, König der Diebe, webe deine kleinen Netze der Undurchsichtigkeit.») Während ich dies schreibe, bin ich so tief im Taylor-Glitzer, dass ich nichts anderes mehr sehen kann als dies: «Boyfriend» ist ein Lied von Justin Bieber.

«Deine Küche oder meine?»

«God is a Woman» ist ein Song von Ariana Grande; ebenso «My Hair». Und dann: «Sweet like justice» («Süss wie die Gerechtigkeit»), eine Zeile aus demselben Lied. «Sweetener» ist ein Album von Grande; sie hat ein Parfum namens Sweet Like Candy. «Justice» ist ein Bieber-Album. Weiter zu «Spider Boy»: Sowohl Grande als auch Bieber waren Klient:innen ebendieses Scooter Brauns, der seine Initialen mit Scott Borchetta teilt. Solche Sachen muss man verstehen, bevor man dann anfangen kann zu analysieren, was mit Karlie Kloss passiert ist.

Die Leute sagten Taylor Swift schon seit Jahren, dass sie genau wie das Model aussehe, dass sie sich treffen sollten. Ihre erste öffentliche Erwähnung von Karlie Kloss findet sich in einer «Vogue»-Coverstory von 2012, in der Taylor sagt, sie liebe Karlie Kloss und würde gern mit ihr Kekse backen. Karlie tweetete als Antwort auf das «Vogue»-Zitat: «Deine Küche oder meine?»

Die beiden wurden unzertrennlich, machten Fotos, kleideten sich gleich, tanzten auf Konzerten, tauschten Blicke aus und wurden des Öfteren händchenhaltend gesehen. Doch dann, 2016, wich Karlie Kloss einer Pressefrage über Kim Kardashian aus und sagte, Kim sei «immer nett zu ihr gewesen».

2018 heiratete Karlie Josh Kushner

Das war direkt nachdem Kim Kardashian diese Schlange gepostet hatte und alle wussten, dass damit Taylor Swift gemeint war. Dann, im Jahr 2018, heiratete Karlie Josh Kushner, und Taylor Swift war nicht dabei. Aber wissen Sie, wer da war? Scooter Braun! Der Karlies ehemaliger Manager ist!

Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das erste Mal den Hashtag #kaylor gesehen habe; es ist, als ob die Fan-Theorie, dass Taylor und Karlie eine romantische Beziehung haben, schon immer existiert habe, mit all ihren Halb-Hinweisen und Song-Codes und dem unscharfen Video, das die Frage aufwirft, ob sie sich küssen.

Und vielleicht, ich weiss es nicht, klar, aber: es ist zu simpel, «Maroon» als traditionelles Trennungslied zu verstehen. Wie alle von Taylors Songs ist es wie ein Liebeslied aufgebaut. Ich behaupte aber, dass dies keine List ist, um den Song gefälliger zu machen. Wenn es in diesem Song um Karlie Kloss geht, dann geht es um die Verzweiflung über den Verlust einer besten Freundin.

Etwas, auf das diese Legionen von Mädchen und Frauen gewartet haben

Natürlich kann man sagen, dass die «Eras»-Tour zynisch ist, denn wenn man seine Vergangenheit neu vermarkten muss, zelebriert man sie natürlich. Unecht ist das nicht. Man sehe sich die Konzerte von Taylor Swift an. Man kann ein Publikum nicht dermassen mitreissen, wenn man nicht etwas Wahres sagt – etwas, auf das diese Legionen von Mädchen und Frauen gewartet haben: dass wir mehr sind als der Moment auf dem Balkon, wo die Liebe wartet.

Wir sind auch alles davor und danach. Taylor Swift weiss, dass es Spass macht, über Jungs und Männer und Romantik zu singen. Aber sie weiss auch, dass die Momente, in denen wir auf dem Balkon stehen, während die Person, die wir begehren, auf uns zugaloppiert, oder der Moment, in dem wir die Zuneigung einer Person gewinnen, obwohl sie vergeben ist, nur der kleinste Teil des Lebens einer Frau sind, egal, was die Filme erzählen.

Taylor Swift hat 468 Millionen Follower

Es ist wahrscheinlich wahr, dass Taylor Swift zu beschäftigt war, um mit mir zu sprechen. Was definitiv stimmt, ist, dass sie es nicht nötig hatte, mit mir zu reden. An dem Tag, an dem ich dies schreibe, hat Taylor Swift 468 Millionen Follower auf Twitter, Facebook, Instagram und Tiktok.

Abgesehen von den üblichen Verpflichtungen aus Werbeverträgen sehe ich ehrlich gesagt keinen Grund, warum jemand, der die Beziehung zwischen einer Sängerin und ihren Fans revolutioniert hat, Vermittlung brauchen sollte. Sie hat definitiv ohne unsere Hilfe genug Alben verkauft.

Ausserdem weiss ich nicht, ob ich eine Geschichte über Taylor Swift erzählen könnte, die besser ist als die Geschichte, die sie über sich selbst erzählt, durch jeden Song, jeden Tanz, jedes Video, jeden Post. Wie könnte ich Taylor Swift besser interpretieren, als sie es tut, besser als ihre Fans es online tun, jeden Tag? Sie lesen ihre Codes, gehen ihren Hinweisen nach, erfüllen ihre Wünsche, finden sich in ihrer Welt wieder.

Leute, über die ich jahrelang geschrieben habe – Schauspieler:innen, Regisseur:innen, Produzent:innen – haben mir davon erzählt, wie Zeitungsartikel ihr Leben oder eine Beziehung ruinierten oder sie in unangenehme Situationen brachten. Manchmal erzählten sie mir, dass sie in Interviews logen, weil sie Angst hatten oder die Journalist:innen in die Irre führen wollten.

Keine einzige Person, die ich jemals interviewt habe, schien zu verstehen, warum sich die Öffentlichkeit so sehr für sie interessiert. Sie warteten nur darauf, sich zu verteidigen, eine hinterhältige Frage gestellt zu bekommen oder sich darüber Gedanken zu machen, wie die Journalist: innen eine harmlose Aussage uminterpretieren könnten.

Der Verlust liegt nicht bei den Stars, sondern bei uns

Der Verlust liegt also nicht bei den Stars, sondern bei uns – oder vielleicht ist es nur meiner. Für mich gibt es keinen besseren Weg, die Kultur zu verstehen, und wenn man die Kultur versteht, versteht man die Welt – indem man etwas über die Menschen erfährt, die wir auserkoren haben, unsere Stars zu sein, lernt man etwas über sich selbst.

Was ich damit sagen will, ist: Wenn man sich erst einmal auf Taylor einlässt – auf die Theorien, die Codes, die Bedeutungen –, wenn man sich erlaubt, sein Leben in Epochen zu denken, dann kann man nicht anders, als sich in seinem eigenen Taylor-Swift-Song wiederzufinden.

Weit unter uns singt Taylor Swift über eine Affäre. «Look at this idiotic fool that you made me», heisst es in dem Text, und ich schreie ihn mit, aber meine Stimme versagt, und ich merke, dass ich wieder weine. Ich stehe auf, damit eine Frau, die als der sagenumwobene Schal verkleidet ist, den Taylor Swift während ihrer «Red»-Ära wahrscheinlich in Jake Gyllenhaals Haus zurückgelassen hatte, an mir vorbeikann.

Es gibt keine Übergänge zwischen den Ären

Wenn dieser Ort ein wenig wie eine Comic-Convention aussieht, liegt das daran, dass es keine Übergänge zwischen den Ären gibt. Ären enden endgültig und gewaltsam. Sie kommen, während man einfach nur versucht, seinen Job zu machen und sein Leben zu leben, und eines Tages sitzt man in Sektor 301 und stellt fest, dass der Übergang stattgefunden hat, ohne dass man ihn überhaupt bemerkt hat.

Kurz nach 23.30 Uhr an diesem Abend erklärt die Ehrenbürgermeisterin ihre Amtszeit für beendet. Die Bühne verdunkelt sich, sie schickt den Mond nach Hause, und der souveräne Staat von Sektor 301 von Swiftie Clara löst sich in eine Diaspora auf. Während ihrer Amtszeit hat die Bürgermeisterin Geld an eine örtliche Lebensmittelbank gespendet, um die 500’000 Menschen, die dort pro Monat versorgt werden, zu unterstützen – das tut sie in jeder Stadt.

Sie hat die Ausgaben im Fremdenverkehr um durchschnittlich drei Millionen Dollar erhöht – pro Nacht, in der sie da war. Sie leistete einen wesentlichen Beitrag zur Wirtschaft von Santa Clara, indem sie die Hotelzimmer ausverkaufte und die Mitfahr-Apps zum Absturz brachte.

30 Millionen Dollar zur lokalen Wirtschaft beigetragen

Es wird geschätzt, dass ihre blosse Anwesenheit mehr als 30 Millionen Dollar zur lokalen Wirtschaft beigetragen hat. Der Platzanweiser, der Armbänder tauschte, geht nach Hause und fragt sich, warum Fussballfans sich nicht einfach so amüsieren können wie die Swifties, warum sie sich betrinken und prügeln müssen.

Männer mit Laubbläsern ziehen los, um zu beseitigen, was der Wind von der Glitzerpracht übrig gelassen hat, um das Stadion in seine Fussball-Ära zurückzuversetzen. Die Polizei verhaftet wieder Leute. Und die Studentin aus Sacramento hat Taylor wieder in ihre Spotify-Rotation aufgenommen, ganz oben auf der Liste.

Und die Ehemänner gehen nach Hause und arbeiten an ihren Rückenmuskeln, und Ezra und ich gehen auch nach Hause, aber ich trage immer noch ein Perlenarmband, das mir eine Frau geschenkt hat und auf dem «Reputation» steht, und wenn ich es ansehe, denke ich: Wie die Lichter des Königreichs nur für mich und dich geleuchtet haben.

Die nächste Show auf Swifts Tour war in Los Angeles. Sie spielte die erste von sechs Shows am 3. August – was, wie hoffentlich inzwischen alle wissen, der Geburtstag von Karlie Kloss ist; und welchen Song, der nicht Teil der regulären Eras-Setliste ist, spielte sie als Überraschung? Sie spielte «Maroon»! Sie spielte einen Song, von dem wir glauben, dass er von Karlie Kloss handelt, an Karlie Kloss’ Geburtstag.

Und dann, bei ihrer letzten Show in Los Angeles, passierten zwei verrückte Dinge. Zum einen verkündete sie, dass sie schon als Teenager – ich sage mal mit 19 – immer ihre eigene Musik habe besitzen wollen. Und dass sie jetzt, an diesem Tag im August (der achte Monat des Jahres), am neunten Tag dieses Monats, das im letzten Oktober neu aufgenommene «1989» herausbringen würde.

Karlie! Kloss! Persönlich! Ist! Aufgetaucht!

Sie verstehen: 19 (Alter) 8 (Monat) 9 (Tag). Und wenn das noch nicht genug ist, möchte ich Ihnen noch etwas anderes erzählen, was passiert ist: Karlie! Kloss! Persönlich! Ist! Aufgetaucht!

Ja, Karlie Kloss, die zwar keine romantische Verstrickung Swifts war, aber durchaus als die Liebe ihres Lebens bezeichnet werden kann, wie jede unserer besten Freundinnen, kam ins Stadion und tanzte auf der Tribüne. Und in der Zwischenzeit habe ich auf Tiktok gesehen, dass eine @nikkiking23 die 112-Frage gelöst hat, und ich erkläre die Antwort für unbestreitbar. (Sie veröffentlicht Alben in 112-Tage-Zyklen, weil 112 die Anzahl der Songs ist, die ohne ihre Erlaubnis an Scooter Braun verkauft wurde!!!)

Und ich sitze zu Hause und versuche mein Bestes, um zu den Gefühlen zurückzukehren, die ich im Stadion hatte. Ich sitze im Badezimmer auf dem Boden und gehe jeden Abend die Tiktoks durch, die von dem Konzert erzählen.

In meiner «Folklore»-Ära

Ich bin nun in meiner «Folklore»-Ära, hinterfrage mein Leben, bin nachdenklich. Am Morgen habe ich gewartet, bis alle aus dem Haus waren, und habe Lieder aus «Reputation» gesungen – schmutzig, aber auch albern. Das habe ich seit Jahren nicht mehr gemacht.

Und irgendwo in Nordkalifornien öffnet die frisch Verlobte von Sektor 301 die Schranktür in ihrem Schlafzimmer und berührt das lila Kleid, das sie in der Nacht trug, in der er um ihre Hand anhielt, aber eigentlich war es die Nacht, in der sie auf dem Taylor-Swift-Konzert war.

Sie zieht das Kleid an, nimmt ihre Haarbürste und legt «Love Story» auf, und sie singt das Lied, das gespielt wurde, als sie sich verlobte, das Lied, das ihr an diesem Tag ein wenig genommen wurde, als es gleichzeitig zu einem monumentalen Teil ihrer eigenen Geschichte wurde. Aber selbst während sie singt, selbst als sie die alte Freude an dem Lied findet, erinnert sie sich an ihre Zeit auf dem Balkon von Sektor 301.

Zum ersten Mal begreift sie, dass es mehr Spass macht, auf diese Balkonmomente zu warten, als sie zu leben. Denn wenn man sie einmal erlebt hat, beginnt eine Uhr rückwärts zu laufen, beginnen Zeiten, in der dir das Schlafzimmer nicht mehr allein gehört und das Singen von «Love Story» in deinem lila Kleid immer weniger Sinn macht.

Und dann klingelt ihr rosa Festnetztelefon. Sie geht ran, und es sind Taylor und ich, die sie in einer Konferenzschaltung bombardieren. Wir sagen ihr, es tue uns leid, dass sie weiterziehen muss. Wir sagen ihr, dass es traurig ist, dass man sich nicht entscheiden kann, seine Ära zu verlassen, dass das Verlassen für einen erledigt wird.

Die Zeit schreitet immer voran, sagen wir ins Telefon. Du kannst nicht für ewig ein Mädchen sein, wir alle drei müssen ständig wachsen und uns weiterentwickeln. Du wirst Orte für immer verlassen müssen, bevor du bereit dazu bist. Sie weint ins Telefon, und wir lassen sie weinen, ich und Taylor – Taylor Swift, die das Lied von uns allen singt, die all das besser sagt, als ich es je könnte.

Glauben Sie mir; ich mag es, eine Frau zu sein, aber: Hoch lebe die Mädchenzeit.

 

Aus dem Englischen von Michèle Roten; der Artikel ist zuerst in der «New York Times» erschienen.
© New York Times Company

Das Swift-Universum

Taylor Swift hat fast alle Musik-Rekorde gebrochen, die es zu brechen gibt: Mit über 258 Millionen verkauften Tonträgern gehört sie zu den erfolgreichsten Künstlerinnen aller Zeiten. Am 9. und 10. Juli spielt sie erstmals zwei Konzerte in der Schweiz, im Zürcher Letzigrundstadion. Die Tickets waren innert dreissig Minuten ausverkauft. Taylor Swift befindet sich seit März 2023 auf der Eras-Tournee, die im August in London enden wird. Im vergangenen April hat sie zudem ihr elftes Studioalbum «The Tortured Poets Department» herausgebracht. Auf ihrem Instagram-Kanal, wo ihr 283 Millionen Menschen folgen, äussert sie sich immer wieder politisch, insbesondere kritisiert sie die Republikanische Partei. Wegen ihrer hohen Reichweite bei jungen Menschen wird vermutet, dass sie die US-Wahlen beeinflussen könnte.

Taffy Brodesser-Akner (48) ist Autorin der «New York Times». Ihre Artikel über Stars wie Britney Spears oder den Drehbuchautor Damon Lindelof wurden mehrfach ausgezeichnet, ihr Roman «Fleishman is in Trouble» ist Grundlage der gleichnamigen Miniserie (auf Disney+).

 

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